Unternehmensprofil
Die Bayer AG ist ein global tätiges Life-Science-Unternehmen mit Hauptsitz in Leverkusen. Das operative Geschäft wird von drei Teilkonzernen Crop Science, Pharmaceuticals und Consumer Health geführt. 1
Crop Science beinhaltet die Agrar-Themen Pflanzenschutz, Saatgut und Pflanzeneigenschaften sowie digitale Landwirtschaft. Pharmaceuticals umfasst den Markt der verschreibungspflichtigen Therapeutika, Schwerpunkt Herz-Kreislauf und Frauengesundheit. Dazu Fokus auf Onkologie, Hämatologie, Augenheilkunde und mittelfristig Zell- und Gentherapie. Ein Teilbereich bedient Kontrastmittel für diagnostische Bildgebung. Consumer Health bedient den Bereich der verschreibungsfreien Medikamente (OTC= Over the Counter), die das Wohlbefinden von Verbrauchern stärken in den Sparten Erkältung, Allergie, Schmerz, Haut und -pflege, Magen-Darm-Gesundheit, Nahrungsergänzungsmittel.
Weitere Servicegesellschaften unterstützen als “Enabling Functions” das operative Geschäft der drei Divisionen, wie z.B. Group Finance, Information Technology oder Human Resources.
Management-Team
CEO und Chief Sustainability Officer ist seit 2016 Werner Baumann, studierter Wirtschaftswissenschaftler. Mit seiner Unternehmenszugehörigkeit von bis dato 34 Jahren und vier Monaten ein Bayer-Urgestein.2 Gestartet in der Abteilung Konzernfinanzen lernte er sein Handwerk als Assistent des GF der Bayer Hispania Commercial und durchlief leitende und Vorstandspositionen in der Pharma-Division, übernahm die CFO-Rolle der Bayer AG, war Arbeitsdirektor. Nun Chief Executive Officer der Bayer Group. Nebenbei ist er Vorsitzender des Deutschen Aktien Institutes.
Rodrigo Santos leitet die CropScience Division. Der studierte Agrarwissenschaftler aus Lateinamerika saß für Monsanto über 19 Jahre im Sattel.3 Die Pharmaceuticals werden von Stefan Oelrich geleitet. Dieser ist ein erfahrener Pharma-Manager und blickt auf viele Jahre bei Sanofi und Bayer zurück, u.a. in den Bereichen Marketing, Diabetes, Kardiovaskulär. Er sitzt im Aufsichtsrat einer von Europas größten Universitätskliniken, der Charité Berlin.4 Heiko Schipper ist seit 2018 der Frontmann der Consumer Health Sparte. Der gebürtige Holländer verbrachte zwei Jahrzehnte beim Schweizer Konzern Nestlé hauptsächlich im Bereich Nutrition.5
Unternehmens-Geschichte
Den Chemie- und Pharmakonzern prägt eine ereignisreiche Historie. M&A’s von Unternehmen und Geschäftseinheiten sorgen für Bewegung. Das zukünftige Geschäft des Unternehmens wird dadurch ebenso beeinflusst, wie auch die Entscheidungen der Aktionäre und weiterer Stakeholder.
Wie alles begann: chemische Farbproduktion als Grundstein
Der Bayer Konzern blickt auf eine über 150-jährige Geschichte zurück. Seine Wurzeln gründen auf einer erfolgreichen Männerfreundschaft. Am 1. August 1863 in Barmen gründen Kaufmann Friedrich Bayer und Naturfärber Johann Friedrich Weskott die kleine Fuchsin-Fabrikationsanlage und Handelsgesellschaft “Friedr. Bayer et comp.” Bayer entstammt einer Seidenwirker-Familie und lernt sein kaufmännisches Handwerk in einer Chemikalienhandlung. Sein Nachname geht zurück auf Vorfahren in der Oberlausitz, wo „bajer“ Geschichtenerzähler bedeutet.6 Weskott entstammt einer Naturgarnfärberfamilie und beginnt seine Selbständigkeit mit einer Färberei. 7 Beide sind erfahren in der Herstellung von Naturfarbstoffen. Mit dem Grundstein der “Friedrich bayer et comp” starten sie Produktion und Handel synthetischer Farbstoffe. Ihr Anilin, ein Grundstoff zur Farbstoffherstellung und Fuchsin, besticht in Qualität und Farbintensität. Schnell wächst der Familienbetrieb auf 50 Mitarbeiter heran. Die unruhigen Zeiten durch den Deutsch/Französischen Krieg sowie die Arbeitsbedingungen in den Chemielaboren lassen die Gründerväter früh das Zeitliche segnen. Beide werden nur 55 Jahre alt. Ihre Familienmitglieder führen den Betrieb in Schlüsselpositionen weiter.
Wachstum und Expansion
Im Jahr 1881 wird der Grundstein der Aktiengesellschaft gelegt. Das Unternehmen investiert in Forschung und Entwicklung. Der studierte Chemiker Carl Duisberg ist hier treibende Kraft. Nach fünf Jahren wird Duisberg 1888 Prokurist und Leiter der wissenschaftlichen Versuche.
Es soll die Sorge um den rheumakranken Vater gewesen sein, die den angestellten Chemiker Dr. Felix Hoffmann am 10. August 1897 dazu bringt, die bis dato eingesetzte Salicylsäure zu Acetylsalicylsäure zu veredeln.8 Bei seinem Vorgesetzten stößt der Durchbruch auf wenig Interesse. Erst Duisbergs Durchsetzungskraft für klinische Studien verhilft zum kommerziellen Erfolg. Sein Name: Aspirin™. 1897 wird ein weiterer Wirkstoff in den Bayer-Laboren synthetisiert. Heroin. Patente werden angemeldet. Das Unternehmen wächst so stark, dass eine Expansion in und um Barmen unmöglich erscheint. Leverkusen wird neuer Standort. Dank Fläche und Fluss kann sich die Firma ausdehnen und ihrem Wachstum gerecht werden. 1913 beschäftigt Bayer ca. 10.000 Mitarbeiter, davon ca. 1.000 im Ausland. Es folgen Tochtergesellschaften in Frankreich, Großbritannien, Belgien, Russland und den USA. Der Export sorgt 1913 für ca. 80% des Unternehmensumsatzes.
Kriege und Weltwirtschaftskrise
Die turbulenten Zeiten des Ersten und Zweiten Weltkrieges stellen den Chemie- und Pharmakonzern vor wirtschaftliche und ethische Herausforderungen. Die USA beschlagnahmen Patente und Firmenvermögen. In Russland wird der dortige Sitz enteignet. Duisberg bleibt erfinderisch. Von seinen USA Reisen nimmt er die Idee der Interessengemeinschaft (I.G.) mit: Unternehmensverbände, die gemeinsam Großaufträge erwirtschaften, die einzeln undenkbar wären. So entsteht die Liaison zwischen Bayer, BASF und Agfa. Später bekannt als IG Farben. Im Zweiten Weltkrieg zählt Bayer für das NS-Regime innerhalb der IG zum “kriegswichtigen” Betrieb. Dunkle Kapitel mit Zwangsarbeit, Experimenten an Häftlingen und Materialbeschaffung für Kriegstreiber sind die Folge.
Das Unternehmen hat in seiner Geschichte einige Krisen überstanden. Ob Preisabsprachen oder Medikamente, die Patienten aufgrund von Kontraindikationen das Leben kosten. In den USA rollt 2001 die erste Klagewelle aufgrund der Nebenwirkungen ihres Cholesterinsenkers “Lipobay” auf die Leverkusener zu.9 Die Aktie rutscht ab, fast zerstört es die Pharma-Sparte. “Lipobay” wird vom Markt genommen. Über 14.000 Schadensersatzklagen muss die hausinterne Rechtsabteilung bearbeiten. Der Konzern ist wie gelähmt, bis er einen Vergleich über 1,1 Mrd. USD schließt. Dieser Vorfall verzögert den US-Börsengang des Konzerns. An der NYSE gibt Bayer ein kurzes Gastspiel. Fünf Jahre nach dem Listing 2002 erfolgt das Delisting.
GlaxoSmithKline, Abbott, Johnson & Johnson, Syngenta, Novartis, Roche Inc.
Am 31. Dezember 2021 beschäftigt Bayer weltweit 99.637 Mitarbeiter (Vorjahr: 99.538). Bayer ist weltweit mit rund 374 Gesellschaften in 83 Ländern vertreten. Der Konzern hat Betriebe in Lateinamerika, Asien/Pazifik, Nordamerika, Europa, Naher Osten, Afrika. 40% der Belegschaft arbeiten in der Division Pharmaceuticals, 33,9% in Crop Science, 10,7% in Consumer Health und 15,4% in den “Enabling Functions”-Servicegesellschaften.10
Herausforderungen, Ausblick
Unterbrochene Lieferketten, steigende Energiepreise
Durch den Russland/Ukraine-Konflikt kommt es zu unterbrochenen Handelsströmen sowie Material- und Rohstoffknappheit. Steigende Energiepreise und Inflationsdruck sorgen für Verwerfungen. Auch Naturkatastrophen wie Hurrikanes führten zu Verlusten. Der Krieg ist in den Forecasts der Bayer AG noch nicht eingepreist.
Klagen aus Übernahmen
Aus den USA drohen den Leverkusenern weiterhin finanzielle Herausforderungen. 2013 kauft Bayer für seine Frauengesundheitssparte die US-Firma Conceptus. Hersteller der Metallspirale Essure™, die in den Eileitern gebärfähiger Frauen für Verhütung sorgen soll. 40.000 Klagen haben Bayer bisher erreicht. Klagen von Frauen, die nach dem Einsatz des Metallteils unter Verletzungen an Gebärmutter und Eileiter, demzufolge an Hysterektomie, Schmerzen, Nickelallergie, Depressionen leiden.11 “Bis zum 1. Februar 2022 hat Bayer Vereinbarungen mit Klägeranwaltskanzleien getroffen, mit denen ca. 99% der Klagen in den USA beigelegt werden sollen.”12
Monsanto. Den US-Übernahmekandidat integriert Bayer 2016 - unter CEO Baumann - in den Konzern und übernimmt damit die Verantwortung für das Unkrautvernichtungsmittel ‘RoundUp’. Dessen Wirkstoff Glyphosat könne krebserregend beim Menschen sein.13 Insekten wie Hummeln können durch den Kontakt mit Glyphosat in der Population zurückgehen, was das natürliche Wachstum der Nutzpflanzen stört. In Deutschland werden 320 Investoren zu Klägern beim Landgericht Köln und fordern eine Schadensersatzsumme von rund 2,2 Mrd. EUR. 14 In den USA drohen erneut Klagen. Ein Fall liegt beim obersten Gerichtshof ‘Supreme Court’. Bayer möchte klären, ob US-Bundesrecht dem Recht der Bundesstaaten übergeordnet sei. Nimmt der Supreme Court den Fall an, könne daraus eine Haftungsfrage für Bayer entstehen. Lehnt der Gerichtshof den Fall ab, greift Bayers 5-Punkte-Plan.15 Für die Klagen und Schadensersatzforderungen hat der Konzern bisher rund 10,7 Mrd. EUR zurückgestellt. Für den Fall des Scheiterns stehen seit Q2/21 weitere 4,1 Mrd. EUR bereit, die für den zukünftigen Umgang mit NHL-Erkrankungen geplant sind; Non-Hodgkin-Lymphome.16 Bösartige Lumyphknotengeschwulste. Seit “Lipobay” besitzt Bayer eine gut aufgestellte Rechtsabteilung. Rücklagen sind gebildet.
Exklusivitätsverlust von Patenten
Zwei Exklusivrechte an Patenten laufen aus: Xarelto und Eylea erzielten 2019 zusammen einen Umsatz von 6,62 Mrd. EUR nach zweistelligem Wachstum.
Bayer muss also gleichzeitig liefern und seine Logistik-Löcher stopfen. Zum Ausgleich setzt Bayer auf die Preisgestaltung. Um Lieferketten und Produktionsstandorte in der Pharma-Division zu stärken, werden in den nächsten drei Jahren ca. 2 Mrd. EUR investiert.
"Health for all – Hunger for none.” delivered through science for a better life.
Ein Großteil wandert in Biotech für zukünftige Zell- und Gentherapien sowie den Ausbau des Produktionsstandortes im kalifornischen Berkeley, USA.17
Rund 5 Mrd. EUR gab Bayer bisher für Übernahmen und Partnerschaften in dieser Sparte aus.
Zurzeit deckt Bayer ein Viertel seines Energiebedarfs durch Erneuerbare Energien. “Was die Versorgungssicherheit mit Energie angeht, ist dies nochmal mehr von deutlich höherer Relevanz und darüber hinaus sind unsere Einkäufer dabei, Energiequellen für unsere Energiebezüge zu sichern”, betont CEO Baumann.18
In der Onkologie werden weitere Zusatznutzen rund um das Therapeutikum Nubeqa beantragt. Bisher ist der Wirkstoff Darolutamid im Kampf gegen nicht metastasierten Prostatakrebs im Einsatz.19 Dazu kommen Therapeutika zur Behandlung von diabetischer Nierenerkrankung und Mittel zur Behandlung von menopausalen Beschwerden auf den Markt. Sie gelten als tauglich für den Massenmarkt und besitzen damit Blockbuster Potenzial. Als Blockbuster bezeichnet man ein auf dem Pharmamarkt erfolgreiches Medikament, das jährlich einen Umsatz von mehr als 1 Mrd. USD erzielt. Doch es sei "mathematisch unmöglich", dass das Wachstum bei neueren Medikamenten den Verlust des Patentschutzes von Xarelto und Eylea kompensieren könne, sagt Bayer-Pharmachef Stefan Oelrich.20
In der Division CropScience setzt der Konzern aktuell auf schädlingsresistente Hybridmaissorten. Durch den Sprung in die digitale Landwirtschaft werden Ergebnisse von Saatgutdaten in Echtzeit ausgewertet, zum Nachteil der Konkurrenz. Für die Saatgutpreise in LATAM rechnet Bayer mit einer Preiserhöhung von 10%.
Im Bereich Consumer Health wächst Bayer in den Bereichen Dermatologie mit 7% und Ernährung mit 5%. Erkältung, Allergie und Haut werden die Kernthemen sein, z.B. mit dermatologischen Produkterweiterungen in sonnigen Ländern wie Brasilien. Durch SARS-CoV-2 als saisonales Virus wird der Absatz von Erkältungsprodukten zum Ende des Jahres zunehmen.
SWOT
Stärken
- Steigende Weltbevölkerung und Lebenserwartung = Versorgung mit Saatgut/Nahrungsmitteln
- Starke Marke
- Portfolio Mix aus Agrar, Pharma und Consumer Health
- Starker Fokus auf R&D
Schwächen
- Auslaufende Patente, Patentschutzverletzungen
- Verlust der Exklusivrechte an Medikamenten wie Xarelto und Eylea
- Starker Wettbewerb im Pharmabereich und im Sojamarkt
- Lange Entwicklungszyklen in Biotech und Pharma (~ 7 Jahre)
Chancen
- Innovationen in Pharma und CropScience Produkt-Pipelines
- Optimierung und Diversifizierung bestehender Produkte in Consumer Health
- Joint Ventures mit Firmen, die Produkte, Märkte und Patente besitzen
- Überalternde Bevölkerung (Bewahrung und Ausbau der Gesundheit)
- Therapien zur Heilung von Krankheiten basierend auf einem Gendefekt
Risiken
- Schädigung des Marken-Images
- Unterbrochene Lieferketten
- Rohstoffknappheit
- Steigende Energiepreise
- Politische Regularien aufgrund von Gesundheits- und Umweltrisiken
- Handelsstopps aufgrund von Sanktionen/Kriegen
Bewertung
Bayers Umsatz wuchs 2021 um 8,9 % auf 44,1 Mrd. EUR. Als globales Unternehmen für Gesundheit und Ernährung ist Bayer mit seinen drei Divisionen gut positioniert, um in wachsenden Märkten durch innovative Forschung und Technologie Gewinne zu erzielen. Von den von S&P Global Market Intelligence befragten 18 Analysten geben 11 im Konsens eine positive Bewertung, 4 sprechen sich dagegen aus.
Bayer AG in Mio. EUR | 2020 | 2021 | 2022e | 2023e |
---|---|---|---|---|
Umsatzerlöse | 41,4 | 44,08 | 46,62 | 48,00 |
Nettoverschuldung | 37,57 | 33,13 | 34,53 | 32,29 |
EBITDA | 11,46 | 11,17 | 12,27 | 12,93 |
EBIT | 7,09 | 7,29 | 8,2 | 8,8 |
Free Cash Flow | 2,48 | 2,47 | 3,08 | 4,3 |
Konzernergebnis | 6,28 | 6,39 | 7,02 | 7,55 |
Ergebnis je Aktie (EPS) | 6,39 | 6,28 | 7,14 | 7,69 |
Buchwert je Aktie (BVPS) | 31,07 | 33,61 | 37,51 | 41,71 |
Zwischenfazit
Im Zuge der Gerichtsverhandlungen setzt Bayer auf einen hohen Free Cash Flow für Liquidität bei den erwarteten Schadensersatzzahlungen - und der Dividende. Dies ist im Aktienkurs bereits eingepreist.
Abzuwarten bleiben die inflationäre Entwicklung, Energiepreise, Lieferketten und die Auswirkungen des Krieges auf das laufende Geschäft. Im Vergleich zum S&P Europe BMI Pharmaceuticals, Biotechnology & Life Sciences Index lässt sich deutlich der Abwärtsverlauf des Aktienkurses zum Monsanto-Fall ablesen. Mittelfristig ist die Bayer Aktie ein solider Wert, der weiter wachsen kann. Aufgrund der auslaufenden Patente und der Preisgestaltungsmacht der Konkurrenz ist Bescheidenheit angesagt.